Die Forscherinnen Anna van der Velde und Fabiola Gerpott untersuchten renitente Mitarbeitende und gelangen zu überraschenden Rückschlüssen auf das Führungspersonal: »die Einordnung (von Renitenz) als kontraproduktives Verhalten greift zu kurz«, schreiben sie in einer im Dezember 2023 veröffentlichten Arbeit.
<tl;dr> Mit Renitenz schützen widerstrebende Mitarbeitende sich gegen Arbeitsüberlastung oder Übergriffigkeit von Führungspersonen. Mangelnde Fügsamkeit kann also Warnhinweise zu Führung geben — wenn man Warnungen sehen will.
Fünf Formen der Renitenz wurden identifiziert
, die ähnlich häufig
auftraten. In Summe
beschreiben diese Widerstände das werktägliche Verhaltensspektrum der Lohnarbeit in ganzer Pracht:
- überzogenes Selbstbild (entitlement)
- übermäßige Kontaktsuche oder -vermeidung
- Minimierung des Aufwands
- gefühlsbetont schwankende Kommunikation
- Untergrabung der Teamstruktur
Hängt die Wahrnehmung widerborstigen Verhaltens
systematisch mit Merkmalen der Führungsperson
wie Intelligenz oder Persönlichkeit
zusammen? Methodisch etwas schwächer
und unter einem Anfangsverdacht des
social desirability bias (wer hat schon gerne ’seine Leute nicht im Griff’?) sind die Ergebnisse nicht direkt selbsterklärend:
Kluge und bescheidene Menschen erleben seltener Widerstand gegen ihre Führung, es sei denn, sie fragen Mitarbeitende aktiv nach Kritik. Je unkonventioneller allerdings die Führungspersönlichkeit, um so
mehr Renitenz scheint zu entstehen.
Wenn man nun schlau ist, noch dazu unkonventionell und obendrein Führungskraft und sich trotz alledem mit bockigen Mitarbeitenden zu plagen hat — wie kommt man aus dieser Zwickmühle wieder heraus? Van der Velde und Gerpott verweisen auf weitere Arbeiten
, die vermuten lassen, dass mit mehr Führungsaufgaben auch der Austausch mit anderen Führenden rapide schwindet.
Oder anders: ‘
oben wird die Luft dünner: jede/r steht für sich alleine, dazugelernt wird nichts mehr ’. Zur Abhilfe dieser hierarchisch induzierte Selbstisolation wird zu
reverse mentoring geraten: Führungskräfte werden Mentees von Mitarbeitenden — die Wirkkräfte werden umgedreht.
Das wäre dann dieses ‘miteinander auf Augenhöhe arbeiten’, zu dem man zurückkehrt, wenn es mit direktiver Führung nicht so gut klappt?
Verrückte Welt.
.∵.