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digitalien.org — Stefan Knecht
»Beginne mit dem Warum« ist der griffige Slogan des ehemaligen Werbemannes1 Simon Sinek. Geht ohne purpose nichts voran?
Ein Buch2 zerlegt neben anderen Glaubenssätzen auch ohne großen Aufwand das Mantra vom notwendigen purpose. In einem Post3 fasst Nick Asbury die harten Argumente zusammen. Sineks Dreiteilung ist plakativ und wirkmächtig: drei konzentrische Kreise, von innen nach aussen vom Warum zum Wie zum Was. Dreifaltigkeit. Er nennt die Zielscheibe einen golden circle und assoziiert damit den ebenso zeitlos richtigen Goldene Schnitt4 als ewiges Maß aller Ästhetik. Was kann verkehrt sein an Gold? Kann man diesem smarten Menschen misstrauen?
Sineks alternative facts sind schlicht verpackt. Die Neurobiologie wird zitiert um fehlende credibility zu stiften. Es kann ja nicht verkehrt sein, dass diese Kreise sich ebenso verhielten wie die drei aufeinander aufbauenden ‘Schichten’ des Gehirns. Reptiliengehirn, limbisches System und Neocortex sollen sich von Alten zum Jüngeren aufbauen vereinfacht die Theorie des triune brain6 — demnach seien Gehirne gewachsen wie die Jahresringe eines Baumes. Das scheint plausibel, wachsen wir selbst doch auch. Nur leider ist es falsch: seit der Jahrtausendwende und längst bevor Sinek sein ‘Warum’ fantasierte war klar, dass das menschliche Gehirn nicht drei aufeinander aufbauenden Schichten hat sondern sich laufend im Wachstum und nach Umweltanforderungen reorganisiert. Ein ‘Reptilienhirn’ ist also so plakativ wie frei erfunden. Auch für die steile Behauptung, Menschen würden Entscheidungen eher auf Grundlage des ‘Warum’ als des ‘Was’ oder ‘Wie’ treffen hat Sinek keine Belege. Die Behauptung wird nicht wahrer, je öfter sie wiederholt wird. Entgegen allen Fakten gewann Sineks griffige Erfindung fast obszöne Reichweite.7
“Sinek hantiert mit Kulten. Einfachen Formeln, die logisch klingen und einleuchten. Die Substanz dahinter hat er nie geliefert.” — Gerrit Beine8
Seine zentrale Botschaft — „Menschen kaufen nicht, was du tust, sondern warum du es tust“ — ist ebenso simpel wie unbelegt und wird dennoch blind übernommen. Einen purpose zu haben ist allemal sympathischer als überleben als Unternehmenszweck anzugeben. Doch keinesfalls ist es eine Bedingung oder Grund für die Existenz einer Organisation. Simon Sinek aber will das glauben machen — und es gelingt ihm. Er ist gelernter Marketeer, überzeugender Redner und geschickter Präsentator: einfache Slogans, stetige Wiederholungen und eine vage sciencyness halten schon sanfter Prüfung nicht stand.
Sein Eigenbranding als ‘Optimist’ hingegen ist geschickte Isolation gegen sachliche Kritik. Wer seine Thesen hinterfragt, stellt sich selbst in die pessimistische Zynikerecke. Da steht man dann alleine.
Wer will schon Spaßbremse sein?