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digitalien.org — Stefan Knecht
Dieser Beitrag ordnet den Loop-Approach als Vorgehen zu Organisationsveränderungen methodisch ein. Die Hinweise in den Fussnoten bieten kritische Erläuterungen.
Dieser Beitrag ordnet den Loop-Approach als Vorgehen zu Organisationsveränderungen methodisch ein. Die Hinweise in den Fussnoten bieten Hinweise und kritische Erläuterungen.
Der Loop-Approach wird als ein Weg beschrieben, der Verhaltensänderungen in Teams zu einer Transformation eines Unternehmens skaliert. Es gibt ihn, …
»(… um) allen Arten von Organisationen zu helfen, ihre eigenen Antworten zu finden (…) Praktiken zu identifizieren, die für die Zukunft der Arbeit geeignet sind« damit ein Rahmen für Einzelpersonen und Teams, um die Entscheidungen zu treffen und die kleinen Veränderungen umzusetzen, die sich zusammen zu einer großen Transformation summieren (…) ein Prozess, der es ermöglicht, eine Transformation zu managen (…) auf eine Art und Weise, die ihrem Geschäft nicht schadet und sie nicht mit einer plötzlichen, weitreichenden Veränderung überfordert«.[1]
Das Ziel jeder Transformation, heisst es, sei eine effektivere Organisation[2], die in ihrer Umwelt überleben und gedeihen kann.[3] Zukünftige Organisationsformen sollen zweck-/purpose-getrieben[4] und menschenfokussiert sein weil hierarchische Systeme in unserer Gegenwart nicht weiter funktionierten.[5]
Der Loop-Approach zeigt sich als programmatisch großer Wurf:
Ein Framework (Rahmenwerk) für organisatorische Effizienz, ein Toolkit (Werkzeugkasten) mit zeitgemäßen Praktiken um schleichend statt mit einem Schlag Transformation (Veränderung) so eintreten zu lassen, dass weder das laufende Geschäft Nachteile hat noch Mitarbeitende überfordert sind.[6]
Erreicht werden soll …
Auf dem Website[7] (jedoch nicht in der ersten Auflage des Buches) wird das Loop-Framework subtil anders beschrieben. Es bestehe nun aus ‘7 Tugenden effektiver Organisationen’ » (…) dazu gedacht, ein idealtypisches Bild einer Organisation zu zeichnen und eine Richtung aufzuzeigen, in die es sich zu entwickeln lohnt.«:
Das Buch[10] startet mit einer Kritik der als dominant verstandenen, hierarchischen Organisationspyramide, illustriert mit der Analogie zur Bedürfnispyramide.[11] Hierarchische Organisation habe demnach drei große Beschränkungen:
Grundlage des Loop-Approach ist ‘Reinventing Organizations’, ein Buch des ehemaligen Unternehmensberaters Frédéric Laloux, der darin eine Alternative zu hierarchischer Organisation aufbaut.[13] Laloux erkennt darin einen groundswell: eine allgemeine Strömung weise in Richtung eines neuen Organisationstypus, der organischer sei, flexibler und menschlicher[14] als die hierarchische Organisationspyramide, in der von oben gesagt würde, was in der Linie darunter zu geschehen habe.
Der Loop-Approach speist sich[15], in der Reihenfolge des Auftritts aus[16] …
Aus diesen (und weiteren, nicht referenzierten) Anleihen erkennen die Autoren patterns of principles, ein Muster an Prinzipien aus dem sie die Charakteristiken einer ‘Organisation der Zukunft’ oder das Loop-Mindset ableiten. Diese Haltung (mindset) formiert sich aus dreizehn Elementen:
Wie diese dreizehn Prinzipien des Loop-Mindset die ‘sieben Tugenden’ effektiver Organisationen ergänzen, befördern – oder sich wechselseitig bedingen (sollen) ist nicht weiter erläutert.
In welchem (Team-)Zustand welche Praktiken wann und wie zum Erreichen welcher (Teil-)Ziele einer Transformation beitragen, bleibt ebenso unausgesprochen.
Es »werden alle Erfahrungen und Kenntnisse genutzt, die bereits in der Organisation vorhanden sind.«[25] Spezifiziert wird der Loop-Approach weiter als »ein teambasierter Prozess, der klar definiert, wie die Entscheidungsfindung in Organisationen funktioniert«.[26]
Geschehen soll das, in dem (Anm: beobachtbar dysfunktionales) Verhalten eines nach dem anderen zu erwünschtem Verhalten verändert wird. Dazu muss verstanden sein, dass »transforming the mindset of an organization cannot be a completely top-down process«[27] — es muss also nach Loop und metaphorisch ‘die Kerze an beiden Enden angezündet’ werden: in der Anweisung die Hierarchie hinab und von der Ebene der Mitarbeitenden ebenso hinauf.
Eine Eingangsbedingung wird gesetzt[28]: »any transformation is doomed to fail if the leaders in the organization don’t fully support it« — diese salvatorische Klausel setzen ausnahmslos alle Frameworks und Changemethoden in dieser oder ähnlicher Form[29]. Im Kontext eingeordnet bedeutet das: Führungsrollen der nach Laloux im Aussterben begriffenen Hierarchien sollen also rückhaltlos ihre eigene Demontage unterstützen.
Loop formuliert, Veränderung geschähe »nicht linear sondern evolutionär« man könne »den jeweils nächstbesten Schritt bestimmen, nicht aber den danach«.[30] Weiter heisst es: »Veränderung finde in Teams statt, deren Erfolg sich dann auf weitere Teams ausdehne um so nach und nach die gesamte Organisation zu erfassen«, also tief wie breit unterstützt durch organisationsleitende Rollen — ja! jene, die sich demontieren sollen.
Hier unterscheidet sich Loop von präskriptiven Frameworks wie SAFe, in denen roll-outs und Checklisten die rezepthafte Anfolge von Aktionen eng vorgeben und Änderungen deterministisch auf einen zuvor formulierten Zielzustand hin planen. Im Falle von SAFe ist dieses Ziel die dort nicht weiter präzisierte ‘Business Agility’.
Das Erlernen des Loop-Approach geschieht in einer Ausbildung dreier kostenpflichtiger Moduln á zwei Tage (Klarheit – Ergebnisse – Entwicklung) in denen …
»ein Team alle relevanten Aspekte seiner Arbeit ändern und lernen (wird), wie es das Loop Mindset in sein tägliches Verhalten umsetzen kann (und) alle wichtigen Aspekte der selbstorganisierten Arbeit (versteht …) und weiß, wie es mit Spannungen arbeiten kann, um sich weiter zu verbessern.«.
Jedes Modul hat ‘Akzeptanzkriterien’ mit deren Erfüllung das Modul als ‘absolviert und verstanden’ geprüft werden soll.[31] Nach sechs Trainingstagen wird die Teilnahme als ‘Loop-Master’ bestätigt. Es werden Masterclasses zur Vertiefung und Wiederholung angeboten. Mehr dazu im Abschnitt ‘Geschäftsmodell’.
In Modul 1 der Ausbildung werden als Rollen zur weiteren Entwicklung vorgeschlagen:
In Modul 2 werden ‘vier Räume’ eröffnet und benannt als ‘operativ, governance, individual, tribe (Team)’ und Entscheidungsformate angerissen.
Die Tagesarbeit im Loop-Modus geschieht im so genannten ‘operativen Raum’ als Informationsaustausch, Aufgabenverteilung und -lösung. ‘Sync Meetings’ beginnen mit einem Check-in (what’s on your mind), dem Abarbeiten einer Checkliste sich wiederholender Aufgaben, Projektupdates, einer offenen Agenda und einem Check-out.
Im ‘governance space’ des dritten Moduls wird an der Organisation gearbeitet, genauer an zu definierenden Rollen und der Nominierung von Rolleninhaber:innen – einem offenbar aus der Holakratie[9] entliehenen und nicht weiter fundierten Verfahren. Weiters geschieht Arbeit ‘am Selbst’ und der eigenen Entwicklung sowie interpersonellen Reibungen auch in der Gruppe.
Autoren des Buches sind Ben Hughes und Sebastian Klein. Hughes »hat einen Hintergrund in Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und angewandter Mathematik (…) arbeitete in mehreren internationalen Managementberatungen«, lebt heute offenbar in Helsinki, betreibt ein Website[33] und schrieb drei weitere Bücher in finnischer Sprache. Klein studierte »Psychology, Business, IT«, war dann ein gutes Jahr bei der Unternehmensberatung BCG. Gemeinsam gründeten Klein und Hughes 2012 (als copycat des seit 1999 bestehenden GetAbstract) Blinkist, einen »größtenteils kostenpflichtiger Referatedienst, der Sachbücher beziehungsweise Bildungs-Podcasts in englisch und deutsch auf die wichtigsten Kernaussagen zusammenfasst«. Nach fünf Jahren stieg Klein 2016 als Gründer bei Blinkist aus und steckte Teile des Erlöses in TheDive, andere Teile 2018 in eine gemeinnützige GmbH namens Karma Capital, mit der er zu Umwelt- und Klimaschutz beitragen will.[34] Blinkist hatte zum Ausstieg Kleins rund zwanzig Mitarbeiter. Im Mai 2023 wurde Blinkist mit nun 170 Mitarbeitenden für zweihundert Millionen Euro[35] [34] an das australische Weiterbildungs-Startup Go1 verkauft.[36] [37] Klein ist heute einstelliger Millionär[38] wie er angibt ‘wider Willen’[35] und damit Protagonist einer eher seltenen und finanziell erfolgreichen Startup-Saga.
2019 startete Klein als Ausgründung aus TheDive das Magazin NeueNarrative als holakratisches Unternehmen in Verantwortungseigentum, es gehört also den Mitarbeitenden gemeinsam als »ein Wirtschaftsmagazin, das sich mit neuem Arbeiten und einer ‘lebensdienlichen Wirtschaft’ beschäftigt (…) mit Geschichten aus einer neuen, egofreien Arbeitswelt, die zum Anpacken, Nachmachen und Weiterdenken einladen«. In den Druckausgaben geht es überwiegend um zwischenmenschliche »Übungen und Praktiken für ein angenehmeres, menschlicheres Zusammenarbeiten« denn um Wirtschaftsthemen.[39]
TheDive GmbH bezeichnet sich als »Transformationsberatung und Think Tank« und zeigt 24 feste und nocheinmal so viele freie Mitarbeitende.[40] In drei deutschen Städten werden Co-Working Spaces betrieben. Neben dem Loop-Approach wird in gleicher Manier und bei geringeren Trainingsgebühren der ‘Stellar-Approach’ als »Ausbildungsprogramm für regenerative Transformation der eigenen Organisation« angeboten, »das über Nachhaltigkeitstrainings hinaus geht«. Die Bilanzsumme 2021 betrug rund 2,5 Mio€[41], zwei Geschäftsführer sind eingetragen.
In grober Hochrechnung wird gut die Hälfte des TheDive-Umsatzes mit Loop-Ausbildungen gemacht.[42], rund 1 Mio€ wird vermutlich über die Tagsätze der Transformationsberater erwirtschaftet, die Co-Working Spaces sollten für den Betriebserlös eine überschaubar geringe Rolle spielen.
Um den Loop-Approach in Unternehmen anzuwenden, ist eine kostenpflichtige Zertifzierung von Personen durch TheDive GmbH erforderlich, die im Rahmen der Loop Academy Lizenzen vergibt.[43] Die 8-tägige Ausbildung zum ‘Loop Fellow’[44] kostet 6.950€ an Kursgebühren (Listenpreis), zuzüglich Reisekosten und Unterkunft in Berlin, dem Firmensitz von TheDive. Mit einer darauf aufsetzenden Ausbildung zum Loop-Coach werden diese zertifiziert, in ihren Herkunftsunternehmen oder freiberuflich den Loop-Approach beraten zu dürfen. Während der ‘Fellow’ als kostenpflichtige Lizenz weiter besteht, muss der ‘Coach’ »einmal im Kalenderjahr die Teilnahme an einem von TheDive angebotenen oder initiierten eintägigen Treffen zum Erfahrungsaustausch über die Arbeit mit dem The Loop Approach (Austausch- oder Intervisionstreffen)« teilnehmen. Andernfalls verfällt die Gültigkeit des Zertifikates.[43] The Loop Approach Master ist die dritte Weiterbildungsstufe. In manchen Bundesländern ist dieses Curriculum als Bildungsveranstaltung anerkannt.[45]
Das Geschäftsmodell des Loop-Approach ist in kleinerem Rahmen damit exakt, was die Scrum Alliance, die Kanban University und (in geringerem Umfang) auch scrum.org und — noch weiter erlösoptimiert — auch Scaled Agile Inc. mit SAFe, dem »Scaled Agile Framework« machen: ein von reichweitenstarkem Marketing getriebenes, florierendes Trainings- und Zertifizierungsgeschäft.
Es ist nicht ein sondern viele, teils verwandte Probleme. Vier davon sollten ausreichend:
(Für empfindsamere Leserinnen: jetzt wird es methodisch ein wenig härter.)
Klein/Hughes bezeichnen den Loop Approach als »(…) a playbook for organizational transformation, based on our work at TheDive and Blinkist«. Hier sind die Größenordnungen durcheinander geraten: addiert man beide Unternehmen in Form und Belegschaft, dann sind das rund 100 Personen in drei Geschäftsformen Training, Beratung und Medienproduktion/-vertrieb. Die Ableitung, die ‘Transformationsarchitektur’ sei tauglich für ‘alle Arten von Organisationen’[1] ist ebenso verwegen wie die Unterstellung, was für 100 Mitarbeitende klappt, ginge ebenso mit vielen Hunderten. Bevor der Einwand kommt ‘Loop ist teambasiert, da spielt das keine Rolle’ — leider doch: denn als Universalansatz für Unternehmen beliebiger Größe vermarktet sich Loop.
Ein weiterer Geburtsfehler des Loop-Approach stammt aus dem purpose von Blinkist, das »die großen Ideen der besten Sachbücher in einprägsame Kurztexte erklärt und verpackt«.[37]
»Ich kann das für dich lesen — ich kann es nicht für dich verstehen.«
Die Verkürzung sozialdynamischer Methoden und Praktiken ist kritisch bis fahrlässig: Scrum schematisch zu erklären passt auf einen Bierdeckel, Scrum zu praktizieren ist mit einer Zusammenfassung nicht getan. Scrum | Kanban | jedes Arbeitsmodell kann vielleicht mit einer zusammenfassenden Beschreibung dargestellt werden, doch kaum wirksam angepasst und auf Dauer auch praktiziert werden. Halbbildung in eine ‘Ausbildung’ zu packen ist also wie Schwimmenlernen im Toten Meer: Untergehen ist unmöglich, Tauchen allerdings auch. Diese Verkürzung ist eine grandiose Anmassung: die zweckdienliche Zusammenfassung ist eben kein Handeln aus erworbenem Verstehen heraus sondern allenfalls … Imitation, Cargo Cult.
Das Anreissen und Verkürzen von mehr als dreizehn Verfahren und Praktiken ohne Kontext, Indikation und Randbedingungen ist ein verkochter Eintopf, die verknappte Wiedergabe fremder Gedanken: kein einziges Element, keine Praktik, nichts im Loop ist originär und bringt Neues. Der Loop-Approach ist ein Sampler ohne Randbedingungen, eine Raubkopie mit dürftigen Referenzen auf die verwendeten Quellen.
Das Fundament des Loop-Approach steht auf kurzen Füßchen. ‘Reinventing Organizations’ von Frédéric Laloux[46] ist pure Fiktion, magisches Denken und in sich durchgängig widersprüchlich. Der Loop-Approach wird trotz zehntausend verkaufter Bücher und Dutzenden Ausbildungsklassen in der Fachliteratur nicht reflektiert, in der Sozial-, Organisations- und Managementforschung ignoriert — das ist alarmierender. Wenn Loop wirkt, dann würde es ein Echo geben, eine kritische Auseinandersetzung. Nichts dergleichen geschieht beobachtbar
Die zehn veröffentlichten cases sind gutes Marketing und gemeinsam erschaffen von TheDive-Beratern und zertifizierten Loopies als eine self-fulfilling prophecy: was auch immer an beobachtbaren Verhaltensänderungen beobachtbar wäre, wird dem Loop-Approach zugeschrieben, eine »Koalition des Erfolges«.[47] — weil erfolgreich sein muss, was doch so viele Menschen tun: ein Zirkelschluss. Betrachtet man die vermarkteten Fallbeschreibungen detaillierter, läutert sich das Gesamtbild. Zur zweiten Auflage scheinen sich die Erfolgssignale gar vervielfacht zu haben. Deren Co-Autor spricht gar von »hunderten erfolgreichen Umsetzungen«.[48]
Unabhängig prüfbar sind die veröffentlichten cases leider nicht: auf Anfrage reagierte TheDive, die Bereitstellung von Namen oder gar Kontaktdaten sei nicht möglich. Das hat Merkmale einer Sekte: »Bist du schon geloopt?«
So schwierig ist es nun nicht, in den als Refrenzen aufgeführten Unternehmen eine Ansprechsperson zu finden. Nach übersichtlichen Gesprächen schrumpelt ‘der Loop’ zusammen auf das, was er ist: ein recht wirres Sammelsurium, ein kleines Häufchen Katzengold.
Für wen und in welche Situation ist der Loop-Approach genau das Richtige?
Wenn Sie …
… dann kann der Loop einen ebenso schnellen wie schmutzigen Einstieg öffnen, eine Initiation im Eiltempo.
Methodisch erscheint der Loop-Approach als Aneignung entliehener, verkürzter, passend gemachter Praktiken in einer all-you-can-eat-Verpackung. Schon die Grundlagen des Loop-Approach als wilde Mischung aus Laloux’ esoterischen Fabulierungen und frei erfundenen Graves’ Spiral Dynamics sind nicht haltbar.
Was TheDive verehrungswürdig gelingt, ist die zielstrebige Vermarktung und Selbstinszenierung in der New Work-Echokammer: ganz grosses Tischtennis!
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