digitalien.org — Stefan Knecht

Search

User Story Mapping als Workshop planen und durchführen

User Story Mapping (USM) ist ein mächtiges und Klarheit schaffendes Format um aus einem wachsenden Backlog die wesentlichen, nutzenstiftenden Stories in eine schlüssige Folge zu bringen.

Dieser Beitrag gibt Hinweise, wie USM als Workshop umgesetzt werden kann.

USM ist ein aktives Großgruppenformat

Ein Story Mapping Workshop ist ein aktives Format, in dem das Entwicklungsteam, der Product Owner und die wichtigen Stakeholder eine gemeinsame Sicht auf das weitere Vorgehen entwickeln.

Bei kleineren Vorhaben sind das typischerweise 5-8 Personen, bei größeren können es auch 30 Personen werden. 

Vorsicht: die Durchführung erfordert wie jede Grossgruppenveranstaltung Erfahrung, Vorbereitung und Nerven aus Stahl.

Der Kniff für die Skalierung ist, dass nicht frontal präsentiert und konsumiert wird. Die Teilnehmenden sind in vielen Breakout-Meetings in Kleingruppen selbst aktiv und tragen danach immer neue Erkenntnisse in die große Gruppe zurück. Vor den Flipcharts versammeln sich gemischte Gruppen aus Entwicklern, Kaufleuten und Stakeholdern und diskutieren lokal. Sie kommen “zu Besuch” bei anderen Gruppen, gleichen ab, tauschen Ergebnisse aus.

Bereiten Sie alle Teilnehmenden darauf vor, dass es ein intensiver und involvierender Tag wird und kein ereignisarmer Regeltermin. Erklären Sie ausführlich, wie der Workshop funktioniert. 

Eine Eisbrecherübung zum Start ist ratsam um auf die vielleicht ungewohnte Form der Gruppeninteraktion vorzubereiten.

Die Mischung macht's: Personen richtig auswählen

Die Mischung der Teilnehmenden über Gewerke, Spezialisierungen und Abteilungen macht Story Telling und die Zusammenarbeit wirksam. Es sollten kaufmännisch denkende Personen dabei sein, Softwareentwickler und IT-Techniker aus der Infrastruktur. Je erfahrener und ‘seniorer’ die Mitarbeitenden sind, um so belastbarer werden die Ergebnisse.

Wenn das Vorhaben noch nicht gestartet ist: laden Sie so viele Stakeholder ein, wie Sie kriegen können. Gemeinsam erarbeitete Klarheit ist durch nichts aufzuwiegen.

Verstärken Sie die leisen Stimmen, dämpfen Sie die lauten. Nicht hierarchischer Rang und Titel zählen, sondern kohärente Geschichten und überzeugender Nutzen.

Machen sie klar: die Ergebnisse des Story Mapping bestimmen massgeblich den weitere Projektverlauf.

Achten Sie auf Business-Touristen. Touristen sind Stakeholder, die Höflichkeitsbesuche leisten und management attention zeigen. Das brauchen Sie nicht — Sie brauchen aktive und konzentrierte Mitarbeitende. 

Moderation und Facilitation: 2 Paar Augen und Ohren sind besser

Wenn möglich, lassen Sie sich von einem/einer Moderatorin unterstützen. Moderation achtet auf die Prozesse in der Veranstaltungen, auf die Zeit und regelmässige Pausen. 

Wenn Sie noch nie zuvor ein Story Mapping moderiert haben: lassen Sie sich von jemandem behilflich sein, der mit einem zweiten Paar Augen und Ohren unterstützt. Es wird viel geschehen, Debatten werden sich kreuzen und Untergruppen bilden. Eine:r alleine kann das kaum alles mitverfolgen.

Zeit und Materialien

Setzen Sie einen ganzen Tag mit acht verbindliche Bruttostunden für den Story Mapping Workshop an. Bei sehr grossen Vorhaben können es zwei Tage sein, so dass am ersten Tag die Sammlung und Analyse und am zweiten die Priorisierung und das Release Planning geschieht.

Sorgen Sie für ausreichend Materialien, Stellwände und Moderationskoffer. Walking the Board wirkt integrierend und involvierend — entlang einer breiten freien Wand alles aufkleben, was in der Analyse an Themen entsteht. Je größer die Wand, die Ihnen zur Verfügung steht, umso besser. Die Wand muss Klebeband und Haftnotizen aushalten.

Vorbereitung spart Zeit

Den Raum vorbereiten: kommen Sie früh vor Veranstaltungsbeginn oder erledigen Sie die Einrichtung am Tag zuvor. Sie werden am Tag der Veranstaltung nicht viel Zeit für Hausmeistertätigkeiten haben. Das Backbone können Sie vorbereiten. Es spricht nichts dagegen, auch Aktivitäten (die blauen Karten) schon vorzuschreiben. Auch die horizontalen Swimlanes können als Vorgriff auf das Schneiden der Releases grosszügig bemessen bereits an der Wand kleben. 

Diese Vorbereitung spart Zeit und gliedert das Vorgehen.

Timeboxing: den Tag in Viertel gliedern

Nutzen Sie Timeboxing! Definierte Zeitfenster gliedern Workshops gut und geben den Teilnehmenden Orientierung. Stellen Sie zu Beginn die Agenda vor und lassen Sie die Agenda gut sichtbar im Raum. Mit jedem Arbeitsschritt markieren Sie auf der Agenda, wo sich die Gruppe im laufenden Prozess befindet.

Ein pragmatischer Tipp: den Tag in Viertel gliedern. Je ein halber Vormittag, Mittagspause, ein halber Nachmittag. Das ist als Taktung ausreichend. Nach jedem Viertel eine Pause. Gemeinsam Essen — das geht schneller als eine gesetzte Mittagspause und bietet neuen Raum für noch mehr Gespräche.

Um die Ecke denken: immer wieder

Fragen Sie sich und die Teilnehmenden immer wieder aufs Neue:

  • Ist alles bedacht, sind alle Nutzungsszenarien, Use Cases erfasst? 
  • Was machen Benutzer vielleicht noch mit dem System, das bisher unbeachtet blieb oder gar nicht vorgesehen war?
  • Edge Cases, Extremfälle bedenken: Kann es Situationen geben, in denen eine Aktion nicht stattfinden kann weil Randbedingungen nicht erfüllt sind?
  • Wie gehen grundverschiedenen Personas mit dem System um? 
    Was für eine:n selbstverständlich ist, kann für andere eine Nutzungshürde sein.
  • Wie unterscheiden sich die Use Cases der Benutzergruppen?
    Was für eine Gruppe unbedingt notwendig ist, kann für andere störend und nutzlos sein.
  • Was bedeuten Use Cases für die Ausgestaltung von Features?
  • Ist alles im ersten Release, so dass dieses als MVP unsere Annahmen validieren kann?

Für die Dokumentation der Ergebnisse ist eine Fotodokumentation der geringste Aufwand. Ob, wann und wie mit neuen Stories umgegangen wird, regelt das Entwicklungsteam.

Das Wichtigste: haben Sie Spass!

Quellen

Adzic, G. (2014). Impact Mapping; Making a big impact with software products and projects (leanpub).

Adzic, G., & Evans, D. (2014). Fifty quick ideas to improve your user stories. Neuri Consulting LLP.

Bruner, J. (1991). The Narrative Construction of Reality. Critical Inquiry, 18(1), 1–21. https://doi.org/10.1086/448619

Domingues, I., Berndtsson, J., & Adzic, G. (8.11.14). Getting the most out of impact mapping. InfoQ.

Patton, J. (2014). User story mapping: Discover the whole story, build the right product (First edition). O’Reilly.

Ries, E. (2011). The lean startup: How today’s entrepreneurs use continuous innovation to create radically successful businesses (1st ed). Crown Business.

Robinson, F. (2001). Minimum Viable Product. https://www.syncdev.com/minimum-viable-product/

Robinson, F. (3.10.2008). SyncDev: How It Works: Minimum Viable Product.  Link zu archive.org

Shore, J. (20.3.05). Beyond Story Cards: Agile Requirements Collaboration. Link