digitalien.org — Stefan Knecht

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Gute Experimente machen

Wenn klar ist, wie etwas geht, dann muss man nichts ausprobieren.

In beispiellosen Situationen helfen Experimente, Lösungswege oder Lösungen zu finden.

Wie macht man gute Experimente? Und wann?

Revolution? Experimente.

Nach der Februar-Revolution 1917 musste die russische Wirtschaft schnell reformiert werden. Es fehlte an allen Enden: Lebensmittel, Infrastruktur – an allem.

Niemand wusste, wie das geht.

Der Ingenieur Pjotr Ioakimowitsch Paltschinsky versuchte, Taylors Erfolg des scientific management aus den USA zu übertragen: kontrollierte Experimente starten und eines nach dem anderen prüfen. 

So schnell es nur irgend geht.

Experimente sind nützlich, wenn man nicht wissen kann, wie etwas funktioniert — wenn der Ausgang unklar ist und Hypothesen zügig geprüft werden müssen.

Paltschinskys 3 Regeln für Experimente

  1. Variation: neue Ideen ausprobieren, nicht alte Fehler wiederholen
  2. Selektion: verstärken, was funktioniert
  3. Überlebbarkeit: auf welcher Dimension sind Fehler akzeptierbar?

Wie macht man gute Experimente?

Esther Derby hat die Paltschinsky-Regeln operationalisiert und in 10 Fragen für gute Experimente formuliert.

Der Schlüssel zu guten Experimenten ist, etwas zu finden, das Du jetzt ausprobieren kannst — ohne Erlaubnis oder Budget.
Dein Ziel ist, winzige Änderungen am System zu testen um schnelles Feedback zu kriegen — nicht die allumfassende Lösung zu finden.

Ester Derbys 10 Fragen für gute Experimente

  1. Welche Faktoren bestimmen die momentane Situation?
  2. Welche Faktoren kannst Du beeinflussen?
  3. Weshalb machst Du dieses Experiment?
  4. Welche Frage/n versuchst Du zu beantworten?
  5. Wie kannst Du feststellen, dass Dein Experiment erwünschte Ergebnisse oder Seiteneffekte bringt?
  6. Was kannst du beobachten?
  7. Wie kannst du beobachten, wenn das Experiment unerwünschte Ergebnisse bringt?
  8. Was ist der natürliche Zeitraum dieses Experimentes? Wann rechnest Du mit Ergebnissen?
  9. Wenn Dein Experiment die Lage schlechter macht: Wie kannst du die Lage lösen?
  10. Wenn Dein Experiment funktioniert: wie kannst du es ausdehnen?

Hilft das? Ja! Diese 10 Fragen sind die Checkliste — sie strukturieren und fokussieren.

Gute Experimente demolieren nichts: die GORE-Waterline

W. L. Gore & Associates hatte 2020 mehr als 10.000 Mitarbeiter, 3+ Mrd USD Umsatz und ein Wachstum von 5% pa.

Ein großes und offenbar erfolgreiches Unternehmen.

Bei GORE darf (angeblich) jedes Experiment starten, für das man Unterstützer findet.
Es muss nur oberhalb der Wasserlinie bleiben. Gehen Experimente unterhalb der ‘Waterline’ schief, ist das Unternehmen gefährdet. Das Schiff droht zu sinken.

Regelwerke werden ersetzt durch laterale Aushandlung: finde Menschen, die das Experiment auch für nützlich halten, das reicht. Komplexität wird so verlagert auf die handelnden Menschen und ihre Beziehungen zueinander.

Das ist schneller, als in einer Hierarchie um Erlaubnis fragen zu müssen. Zu warten.

Das richtige Problem finden: was ist das Problem, das zu lösen sich lohnt?

Ein schönes und wahres Beispiel ist der erste muskelgetriebene Flug und wie es dazu kam → Das richtige Problem finden

Quellen

Die 10 Fragen sind adaptiert von: Derby, Esther. 2017. ‘Change Artist Super Powers: Experimentation’. Esther Derby Associates, Inc. (blog). 28 March 2017. https://www.pragprog.com/titles/dlret/agile-retrospectives

Die Grafik der Februar-Revolution ist bearbeitet und stammt aus einer TV-Vorschau von arte: 1917 – Die Künstler und die Revolution, https://programm.ard.de/TV/arte/1917—die-k-nstler-und-die-revolution/eid_28724371819049