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digitalien.org — Stefan Knecht
Muss ich etwas besitzen um es zu nutzen?
Nein: niemand hält eine Kuh im Garten weil Milch in den Kaffee soll.
Auch »the cloud is just someone elses’ computer« zieht Fäden:
Rechenleistung kauft sich um Centbeträge und wo es gerade am Billigsten ist. Wo gerechnet ist commodity: in einem isländischen Ökorechenzentrum mit ‘zero-emission footprint’ oder einem Datensilo in einem Frankfurter Tiefbunker. [1] Mit Backups kennt sich im Zweifel jemand anderes immer besser aus als man selbst. Also lieber die Profis machen lassen.
Nur realisiert haben wir das noch nicht in aller Konsequenz.
’Das Internet’ der Dienste ist längst schon dematerialisiert. Der Zugang zu diesen Diensten ist eine austauschbare commodity wie Gas, Strom und Unterhaltung: gekauft und bezogen, wo es hergeht.
Das blaue bit ist nicht besser als gelber Strom, die cloud hat keinen Henkel zum Anfassen und wenn Netflix leergekuckt ist — weiter zum nächsten Streamer.
Dass hinter all dem absurd viel Rechenleistung steht und doch wieder Chips, viel Energie und Wärme und Kabel und das alles: spielt keine Rolle.
Es dematerialisieren sich noch ganz andere Umstände.
Persönliche Kraftfahrzeuge: weshalb ein Automobil besitzen, wenn die Leistung Mobilität ist? Ja, da ist noch ein Stück Weg, bis alle use cases bedient sind. Wer in der Stadt lebt, scharf gerechnet hat und sich blöd vorkommt, wenn eine Tonne Blech 200 Tage im Jahr dumm herumparkt, ist schon umgestiegen. Nicht, wenn man auf dem Land wohnt.
Filme und Musik auf Polyurethan-Scheiben: die Leistung entsteht im Kopf, im Konsum der aufgezeichneten künstlerischen Leistung und ihrer Wirkung im Kontext. Bessere Audioauflösung kann nur unterscheiden, wer einmal ernsthafte Stereofonie lieben gelernt hat. Für uns alle anderen sind 128kBit mehr als die Ohren hören können.
Bücher: längst erledigt. Klar ist ‘die Haptik’ und das Knirscheln und der Geruch ein valides Argument für afficionados. Auf dem Tolino 350 Bücher dabei zu haben und leichtfüssig Wandern gehen hat auch was.
Es wird kommen, dass etwas so intim materiell wie Persönliches wieKleidung kein sinnvoller Privatbesitz mehr sein wird. Abgesehen von Verschleissteilen wie Unterwäsche und Strümpfen vielleicht.
Wer in seiner peer group adäquat gekleidet sein möchte, der muss liquide sein und Zeit haben, sich auszustatten. Wer hat schon beides, Geld und Zeit?
Nach vier Wochen (Premium: drei Wochen!) gehen die Klamotten ungewaschen per Retourendrone zurück an Netflashion und dann weiter in die Zweitverwertung. Oder in den Müll.
Das Startup dazu lässt auf sich warten. Scheint einen Haken zu geben, sprengt aber den Rahmen dieser Irritation.
Wobei: gibt’s alles schon. Mit Rückgabe, wenn das Party-Programm am Montag vorbei ist, so …
»(…) stehen dann eben wieder dieselben Schlangen von jungen Frauen an der Kasse und haben Berge von Kleidern über dem Arm, die sie mit treuherzigem Lächeln und einem bedauernden ‘Falsche Größe!’ überreichen.«
Dieses Zitat ist zehn Jahre alt. Zehn! Jahre!
Eine Internetewigkeit. [2] [3]
Ein WDR-DOK Podcast [4] hat das beleuchtet.
Anhören.
Dann alles zurück auf Besitzen-wollen.
Es ist verrückt.
[1] press release. (o. J.). ABB and good life—Efficient production and easier life. Abgerufen 4. Februar 2021, von https://new.abb.com/news/detail/45074/abb-and-good-life-efficient-production-and-easier-life
[4] Land, U., & Marksteiner, J. (10.01.21). Retouren-Glück—Gekauft. Zurück! Abgerufen 4. Februar 2021, von https://www.swr.de/swr2/doku-und-feature/swr2-feature-2020-01-29-100.html