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digitalien.org — Stefan Knecht
(Dieser Text entstand im März 2020, während des ersten Lockdown. Leider ist er auch kurz vor Dezember 2021 noch immer wahr.) ((edit: und auch noch wahr im November 2022))
Fehlleistungen sind in uns allen fest verdrahtet: wir malen uns aus, wie toll und wunderbar etwas werden wird. Dann passiert etwas ganz anderes. Wir malen weiter.
Was nun dabei ist zu geschehen, ist Emergenz und Komplexität: aus einer unbekannten Anzahl Randbedingungen entwickeln sich Situationen, für die es keine good practice gibt, keinen Masterplan und niemanden, der einem aus Erfahrung raten könnte, was das beste Vorgehen und die wirksamsten Massnahmen sind. Weil noch niemand so etwas erlebt hat. Keine noch so spezielle Unternehmensberatung, kein Think Tank und kein Guru. Vor dem Virus, das dargestellt wird, wie eine Unterwassermine sind wir alle gleich.
Die sonst so mauerblümchenhaften und possierlichen Mathematiker sind nun die Stars. Recht und richtig so. Deren Modelle müssen vereinfachen um berechenbar zu sein, Parameter stark vereinfachen und kategorische Annahmen treffen. Daher kann es kein Modell geben, das die unbekannte Anzahl Randbedingungen für eine ganze Gesellschaft abbildet. Oder für mehrere Nachbargesellschaften oder gleich die ganze Welt.
Wir blicken über die richtig geschlossenen Grenzen — überlastete Krankenhäuser in Italien, um Luft ringende Patienten auf spanischen Hospitalfluren — und wollen gar nicht daran denken, was geschieht, wenn das Virus sich ebenso rasend über Afrika ausbreiten wird.
Was dann geschieht, wenn Menschen nicht nur vor Krieg und Not weg sondern zu medizinischer Hilfe hinfliehen. Zu uns, die wir diese Kompetenzen haben könnten aber sie kaputtgespart haben, die wir zwar Hüften und Knie im Dutzend sanieren aber auf asymmetrische Katastrophen nicht vorbereitet sind.
Wir sitzen wieder der Asymetrie-Falle auf, schnapp und gefangen.
Was gerade geschieht, ist also ein Flug auf Sicht in tief liegender Wolkendecke. Das hat kein Politiker je erlebt, kein Kommentator, kein Experte für irgendetwas. Ein Volk von Bundestrainern sattelt um auf Virologen. Könnt Ihr bitte allesamt aufhören zu spekulieren? Bitte.
Also ist das Einzige, das rational geschehen kann: Beobachten, orientieren, entscheiden und handeln. Schnelle Experimente und Prüfschleifen.
Die, die wir gewählt haben uns zu führen, müssen im Nebel eine Richtung finden. Und die, die das machen müssen, sind genau die Richtigen.Was es bei aller Unsicherheit ganz sicher geben wird, ist ein Innovationsschub, Wenn alles vorbei sein wird ™: Fernlernen, VPNs und working-from-home als default.
Adieu Stechuhr — weil es noch nie Sinn machte und es jetzt jeder auch gemerkt haben wird. Selbstorganisation von Menschen, die vom umgebenden System keine oder keine hilfreiche Unterstützung und Handlungsfreiheiten erhalten um einfach nur ihren Job zu machen.