digitalien.org — Stefan Knecht

Was Lean Thinking ausmacht

Lean Thinking, lean Production, das Toyota Production System — was ist der Kern ist und welche Haltung streckt sich über alles?

Spoiler: Es ist eine Haltung, nicht das Imitieren von Prozessen.

Lean Thinking = Wert schaffen

Lean kommt aus der industriellen Produktion im Japan der sechziger Jahre und wurde über Toyota und das Toyota Production System TPS auch im Westen bekannt.

Lean bedeutet: „Werte ohne Verschwendung schaffen“.

Verschwendung ist alles, was keinen Wert für Kunden oder für das Unternehmen schafft.

Das bestehende System wird also aus diesen beiden Perspektiven betrachtet: aus der Sicht des Kunden, dessen Wünsche es möglichst optimal zu erfüllen gilt, und aus der Sicht des Unternehmens selbst, das profitabel funktionieren und seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern muss.

Gerne wird das Vermeiden von Verschwendung, von Überflüssigem in den Vordergrund gestellt. Das ist Teil des Ansatzes und mittendrin — doch es geht um eine andere Sicht: proaktives Verhalten und um Flow, um den reibungslos optimierten Fluss im Produktionsprozess.

All models are wrong bit some are useful.

»Let the flow manage the processes, and not let management manage the flow«

Taiichi Ohno

Lean und das Toyota Production System​

Taiichi Ohno und Shigeo Shingo werden als ‘Väter’ des Toyota Production System, TPS, bezeichnet, das zwischen den 1940er bis Mitte der 1970er vor allem in der Automobilproduktion Abläufe umkrempelte und erhebliche Effizienz- und Qualitätsvorteile brachte.

»Lean is a way of thinking — not a list of things to do.«

Shigeo Shingo

Die aktive Teilnahme und Teilhabe macht Lean zu einem humaneren System als etwa konventionelle tayloristische Methoden, die detaillierte Vorgaben machen und Arbeitsschritte mit der Stechuhr optimieren.

Lean Production

'Lean' ist eine Haltung

Lean Production hat diese fünf Kerneigenschaften:

  • Ein langfristiges Ziel definieren — was ist wichtig für das Unternehmen, was bedeutet ‘Wert’? Bei Toyota als Automobilunternehmen war das die effektive Herstellung von Autos.
  • Den Wertstrom abbilden — Die Ablauforganisation hat unbedingten Vorrang vor der Aufbauorganisation. Hierarchien oder Silos dürfen den unterbrechungsfreien Durchlauf nicht behindern. Es geht nicht mehr darum, alle Ressourcen optimal auszulasten, sondern um die Wertschöpfung, das Ergebnis, salopp: was hinten herauskommt. Bei Toyota also Autos, die sich gut verkaufen.
  • Ein Pull-System etablieren — In einer nach Lean-Prinzipien organisierten Produktion wird immer auf Anforderung der nächsten Bearbeitungsstation produziert, nicht auf Vorrat. Das bedeutet, dass die Produkte und Zwischenprodukte immer genau dann, just-in-time geliefert, verarbeitet und fertiggestellt werden, wenn sie gebraucht werden. So werden Zwischenlager vermieden oder minimal klein gehalten und damit auch deren ökonomisch negative Folgen wie Kapitalbindung, Verwaltungsaufwand und das Risiko, nicht weiter benötigte Bauteile vorzuhalten. Das Pull-Prinzip erfordert ein proaktives Mitdenken der Mitarbeiter in der Produktion und direkte Koordination auf Arbeitsebene.
  • Flow erzeugen — Flow, Durchfluss erzeugen bedeutet: in kurzen Zyklen, in kleinen und regelmäßigen Chargen, Wert zu produzieren.
  • Perfektionieren — Funktioniert der Flow, wird kontinuierlich optimiert und perfektioniert, um die Qualität zu steigern, Ausschuss zu vermeiden und so die Effektivität zu erhöhen.

Bekannte Begriffe aus dem TPS​

Einige der TPS-Elemente und -Begriffe wurden bekannt:

  • Muda — das Eliminieren von waste, Verschwendung, Überflüssigem
  • Jidōka — Autonomation oder autonome Automation: Maschinen
    produzieren nicht nur, sondern überwachen den Prozess auf Anomalien und
    stoppen bei minderer Qualität (stop the line!).
    Menschen erforschen und beseitigen Ursachen — sofort. Damit wird zwar der Produktionsfluss unterbrochen, aber Qualität hat damit absoluten Vorrang. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für Kaizen.
  • Kaizen — ständige Prozessverbesserung mit Hilfe hochdisziplinierter Methoden der Problemlösung
  • Kanban — die Signalkarten für die just-in-time Vorratshaltung
Das Toyota Production System als Schaubild

Mura, Muda, Muri, Heijunka

Mura, Muda, Muri, Heijunka

Genchi Gembutsu: geh' hin und sieh' selbst​

Eine der bekanntesten und wertvollsten Führungsprinzipien in Lean ist genchi gembutsu — »geh’ hin und sieh’ selbst«: Entscheidungen sollen auf tiefer Kenntnis und aus aus erster Hand, vor Ort getroffen werden — nicht am grünen Tisch oder im stillen Kämmerlein.

Ohno bestand darauf, dass der Schlüssel des TPS eine Haltung sei, die Art wie ein Problem erfasst und dann gelöst wird.

»Why not make the work easier and more interesting so that people do not have to sweat? The Toyota style is not to create results by working hard. It is a system that says there is no limit to people’s creativity. People don’t go to Toyota to ‘work’, they go there to ‘think’.«​

Taiichi Ohno

Ja aber ... die Konkurrenz?

So nutzte es den erstaunten Abgesandten der US-Automobilindustrie auch recht wenig, das höchst erfolgreiche Toyota Production System vor Ort zu beobachten. 

Ohno lud förmlich zu Besuchen ein. Er hatte keine Bedenken, die Amerikaner würden das Vorgehen einfach kopieren können.

Weil?  
TPS ist eine Einstellung oder Haltung — nicht das Imitieren von Prozessen.

Quellen

TOYOTA MOTOR CORPORATION. n.d. ‘Toyota Production System | Vision & Philosophy | Company’. Toyota Motor Corporation Official Global Website. Accessed 13 June 2019. https://global.toyota/en/company/vision-and-philosophy/production-system/index.html.

Ries, Eric. 2011. The Lean Startup: How Today’s Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses. 1st ed. New York: Crown Business.

Takashi Tanaka, Sharon Tanner, and Craig Flynn, “The Basics of Oobeya,” Toyota Engineering Co. QV System, Inc. (2011), https://www.slideshare.net/LeanUK/leading-using-the-oobeya-room-takashi-tanaka-sharon-tanner-qv-system-ls11-101111