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Für welches Problem sollte diversity die Lösung sein?

In Folge 74 des Expedition Arbeit Podcast versuchen in einem kne:buster Abteilung ‘Mythenkiller’ Alexander Jungwirth und Stefan Knecht zu verstehen, was die Sozialforschung zum Nutzen von diversity in Organisationen und Unternehmen weiss. Dabei hijacken sie mit freundlicher Zustimmung einen Tweet von @titiatscriptor und suchen weitere Evidenzen.
 

Die Literaturrecherche verläuft unerwartet: in den betrachteten Metastudien finden sich kaum positiven Korrelationen, eher leicht negative. Kausale Zusammenhänge sind nicht bekannt.

 
kne:buster als PodcastDas kann man lesen als: Vorsicht mit blinder Diversität — es kommt drauf an, was erreicht werden soll — denn alles kommt mit einem Preis.
 

Was genau meint diversity?

Der Begriff ‘diversity’ ist diffus und gängig mit der bio-demografischen Verschiedenheit nach Alter, Geschlecht, Ethnie.

Das springt, wenigstens im Unternehmenskontext, zu kurz. Weitere Merkmale sind entscheidend:

  • Die aufgabenbezogene Verschiedenheit nach dem individuellen funktionalen Erfahrungshintergrund (nicht notwendigermassen ‘Kompetenz’), der formalen Ausbildung in Schulen und Hochschulen
  • Die ‘Standzeit’ in der Organisation, dabei die operative Zeit in einem Team
  • Tiefergehende Verschiedenheit im Sinne der Persönlichkeit, der (artikulierbaren oder stillen) Werte, der sozialisierten gesellschaftlichen Kultur

Was macht diversity?

Gesucht sind nun die Effekte von diversity-Parametern auf … ja, auf genau was denn nun?

Die Effekte von Diversität …

  • … auf den Zusammenhalt der Mitglieder eines Teams in anstrengenden Situationen, unter äusserem Druck?
  • … betrachtet nach der Beziehungsqualität, dem Umgang mit Konflikten oder lieber nach der Effizienz der Zusammenarbeit?
  • … im Zusammenhang mit der Leistung im Team? Gemessen an Qualität als outcome oder output? Oder eher als Innovation und/oder Kreativität (ebensowenig trivial und kaum unabhängig messbar)
  • … auf die Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben?

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Evidente Forschung

Die Forschung liefert widersprüchliche Erkenntnisse über die Beziehung zwischen geschlechtsspezifischer Vielfalt und Teamleistung.

Einige Studien weisen auf positive Zusammenhänge hin, während andere nicht signifikante oder sogar negative Zusammenhänge mit der Teamleistung feststellen.

Ein wunderbares Durcheinander von Korrelationen in jede Richtung.

Entgegen der volkstümlichen und politisch korrekten Ansicht “Vielfalt ist gut” können experimentelle Ergebnisse und Metaanalysen keine allgemeine Richtung unterstützen. Man weiss es nicht. Oder nicht genug.

Vor allem die Vielfalt nach Funktionen als Berufserfahrung scheint sich positiv auf die Arbeit und den Erfolg im Team auszuwirken.

Alles zusammen genommen dürften homogenere Teams in vielen Fällen eine gute Idee bleiben.

Für eine rein auf äußeren, bio-demografischen Merkmalen beruhende Vielfalt könnte man einen Leistungspreis zahlen: sehr gemischte Teams brauchen mehr Zeit um sich zu sortieren und dann produktiver zu harmonieren.

 

Ergebnisse

Studien in der Pflege im Gesundheitswesen zeigten, dass es den Patienten im Allgemeinen besser geht, wenn die Versorgung durch vielfältigere Teams erfolgt. (Gomez and Bernet. 2019)

Keine der differenzierten Formen von diversity hatte einen Zusammenhang mit dem Zusammenhalt oder Leistung der Arbeitsgruppe. (Webber & Donahue, 2001)

Geschlechtsspezifische Reaktionen auf Wettbewerbssituationen beeinflussen hingegen die Kreativität von Teams. Die Linie verläuft nicht zwischen diversen und homogenen Teams, sondern zwischen homogenen weiblichen und homogenen männlichen Teams. (Baer et al. 2014)

Die Vielfalt des funktionalen Hintergrunds stand in einem geringen positiven Zusammenhang mit der allgemeinen Teamleistung sowie mit der Kreativität und Innovation des Teams. Am stärksten war dieser Zusammenhang bei Design- und Produktentwicklungsteams. (Bell at al. 2011)

Fachliche Erfahrungsvielfalt steht in einem positiveren Zusammenhang mit innovativer Leistung als mit der Leistung in der Rolle. Vermutet werden  subjektive Verzerrungen als Faktor. (van Dijk, van Engen und van Knippenberg 2012)

Geschlechtervielfalt und Teamleistung hängen von der nationalen Kultur ab: In Gesellschaften, in denen die Gleichstellung der Geschlechter gefördert wird und die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Rollenmodellen auch im beruflichen Bezug gering sind, gibt es keine Korrelation zwischen Geschlechtervielfalt und Teamleistung. (Schneid et al. 2014)

Kulturelle Vielfalt wirkt sich auf Teams durch Prozessverluste und -gewinne aus, die mit größerer Divergenz und geringerer Konvergenz einhergehen. (Stahl et a. 2010)

Kulturelle Vielfalt führt zu Prozessverlusten durch Aufgabenkonflikte und geringere soziale Integration, aber zu Prozessgewinnen durch erhöhte Kreativität und Zufriedenheit (Stahl et a. 2010)

Ausgeprägte Diversität der Persönlichkeitsstrukturen von Teammitgliedern ist mit weniger positiven neuen Zuständen und Teamprozessen und mehr Teamkonflikten verbunden. (Triana et al. 2021)

Quellen

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Baer, Markus, Abhijeet K. Vadera, Roger T. A. J. Leenders, and Greg R. Oldham. 2014. ‘Intergroup Competition as a Double-Edged Sword: How Sex Composition Regulates the Effects of Competition on Group Creativity’. Organization Science 25 (3): 892–908. https://doi.org/10.1287/orsc.2013.0878.

Bell, Suzanne T., Anton J. Villado, Marc A. Lukasik, Larisa Belau, and Andrea L.

Briggs. 2011. ‘Getting Specific about Demographic Diversity Variable and Team Performance Relationships: A Meta-Analysis’. Journal of Management 37 (3): 709–43. https://doi.org/10.1177/0149206310365001.

Dijk, Hans van, Marloes L. van Engen, and Daan van Knippenberg. 2012. ‘Defying Conventional Wisdom: A Meta-Analytical Examination of the Differences between Demographic and Job-Related Diversity Relationships with Performance’. Organizational Behavior and Human Decision Processes 119 (1): 38–53. https://doi.org/10.1016/j.obhdp.2012.06.003.

Dixon-Fyle, Sundiatu, Vivian Hunt, Kevin Dolan, and Sara Prince. 2020. ‘Diversity Wins – How Inclusion Matters’. McKinsey. PDF 

Gekeler, Senta. 2019. ‘Diversity: Vielfältige Teams treffen bessere Entscheidungen’. 19 February 2019. https://www.humanresourcesmanager.de/news/diversity-vielfaeltige-teams-treffen-bessere-entscheidungen.html.

Gomez, L.E., and Patrick Bernet. 2019. ‘Diversity Improves Performance and Outcomes’. Journal of the National Medical Association 111 (4): 383–92. https://doi.org/10.1016/j.jnma.2019.01.006.

Hong, L., and S. E. Page. 2004. ‘Groups of Diverse Problem Solvers Can Outperform Groups of High-Ability Problem Solvers’. Proceedings of the National Academy of Sciences 101 (46): 16385–89. https://doi.org/10.1073/pnas.0403723101.

Horwitz, Sujin K., and Irwin B. Horwitz. 2007. ‘The Effects of Team Diversity on Team Outcomes: A Meta-Analytic Review of Team Demography’. Journal of Management 33 (6): 987–1015. https://doi.org/10.1177/0149206307308587.

Jehn, Karen A., Gregory B. Northcraft, and Margaret A. Neale. 1999. ‘Why Differences Make a Difference: A Field Study of Diversity, Conflict and Performance in Workgroups’. Administrative Science Quarterly 44 (4): 741–63. https://doi.org/10.2307/2667054.

Joshi, Aparna, and Hyuntak Roh. 2009. ‘The Role Of Context In Work Team Diversity Research: A Meta-Analytic Review’. Academy of Management Journal 52 (3): 599–627. https://doi.org/10.5465/amj.2009.41331491.

Liang, H.-Y., Shih, H.-A., & Chiang, Y.-H. (2015). Team diversity and team helping behavior: The mediating roles of team cooperation and team cohesion. European Management Journal, 33(1), 48–59. https://doi.org/10.1016/j.emj.2014.07.002

Peters, Stefanie. 2019. ‘Vielfältige Teams Treffen Bessere Entscheidungen’. Vielfältige Teams Treffen Bessere Entscheidungen (blog). 19 February 2019. https://www.humanresourcesmanager.de/news/diversity-vielfaeltige-teams-treffen-bessere-entscheidungen.html.

Roh, Hyuntak, Kyungmi Chun, Yeejeong Ryou, and Jooyeon Son. 2019. ‘Opening the Black Box: A Meta-Analytic Examination of the Effects of Top Management Team Diversity on Emergent Team Processes and Multilevel Contextual Influence’. Group & Organization Management 44 (1): 112–64. https://doi.org/10.1177/1059601118799475.

Schneid, Matthias, Rodrigo Isidor, Holger Steinmetz, Rüdiger Kabst, and Henriette Weber. 2014. ‘Der Einfluss der Teamdiversität auf die Teamleistung: Eine Metaanalyse/The influence of team diversity on team performance: A meta-analysis’. In Die Betriebswirtschaft, 74:183–210. Stuttgart: Schaeffer Poeschel Verlag.

Stahl, Günter K, Martha L Maznevski, Andreas Voigt, and Karsten Jonsen. 2010. ‘Unraveling the Effects of Cultural Diversity in Teams: A Meta-Analysis of Research on Multicultural Work Groups’. Journal of International Business Studies 41 (4): 690–709. https://doi.org/10.1057/jibs.2009.85.

Triana, María del Carmen, Kwanghyun Kim, Seo‐Young Byun, Dora María Delgado, and Winfred Arthur. 2021. ‘The Relationship Between Team Deep‐Level Diversity and Team Performance: A Meta‐Analysis of the Main Effect, Moderators, and Mediating Mechanisms’. Journal of Management Studies, January, joms.12670. https://doi.org/10.1111/joms.12670.

Webber, Sheila Simsarian, and Lisa M. Donahue. 2001. ‘Impact of Highly and Less Job-Related Diversity on Work Group Cohesion and Performance: A Meta-Analysis’. Journal of Management 27 (2): 141–62. https://doi.org/10.1177/014920630102700202.